Normalherstellungskosten – Ein Faktor des Sachwertverfahrens
Beim Sachwertverfahren nach ImmoWertV sind zur Ermittlung des Immobilienwertes entweder die Normalherstellungskosten oder die gewöhnlichen Herstellungskosten heranzuziehen. Normalherstellungskosten (kurz: NHK) sind dabei die Kosten, die bei der Errichtung eines nach Art und Standard vergleichbaren Neubaus anfallen würden. Wie berechnet man die NHK und worauf ist zu achten? Das und mehr lesen Sie hier.
Zur Wertermittlung einer Immobilie werden häufig die NHK 2010 herangezogen.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze
- Normalherstellungskosten (NHK) sind die Kosten, die bei der Errichtung eines vergleichbaren Neubaus am Wertermittlungsstichtag aufzuwenden wären.
- Normalherstellungskosten ergeben sich aus Baukostentabellen und werden zur Sachwertermittlung einer Immobilie genutzt.
- Die bekanntesten Normalherstellungskosten sind die NHK 1995, NHK 2000 und NHK 2010.
- Gesetzlich sind die NHK 2010 in Anlage 4 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) geregelt.
- Um den Sachwert auf den Preisstand am Bewertungstag anzupassen, werden sowohl der Baupreisindex sowie weitere Marktanpassungsfaktoren und besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale berücksichtigt.
Was sind Normalherstellungskosten NHK?
Unter Normalherstellungskosten (kurz: NHK) versteht man all jene Kosten, die marktüblich für die Neuerrichtung eines nach Art und Standard vergleichbaren Neubaus am Wertermittlungsstichtag aufzuwenden wären. Der Wertermittlung werden moderne Baumaterialien und wirtschaftliche Bauweisen, die den Stand der Technik widerspiegeln, zugrunde gelegt.
Einfacher gesagt: NHK entsprechen den standardisierten Baukosten, die bei Gebäuden der jeweiligen Nutzung, Bauart und Ausstattung durchschnittlich anfallen. Für die Berechnung des Sachwertes einer Maschinenhalle mit einem einen Meter dicken Bruchsteinmauerwerk würden die Kosten einer Halle mit massivem Mauerwerk mit heute üblicher Stärke angesetzt werden.
Als Bezugsgröße ist die Brutto-Grundfläche heranzuziehen, die Einheit der NHK sind Euro pro Quadratmeter.
Die Normalherstellungskosten stellen beim Sachwertverfahren gemäß Immobilien-Wertermittlungsverordnung (kurz: ImmoWertV) die Grundlage der Berechnung eines Immobilienwertes dar.
Bei den Normalherstellungskosten handelt es sich um die durchschnittlichen Herstellungskosten, also um die am Bewertungsstichtag relevanten finanziellen Aufwendung, jedoch nicht um die tatsächlichen Rekonstruktionskosten. Grund dafür ist, dass die tatsächlichen Rekonstruktionskosten von signifikanten Mehr- und Minderkosten geprägt sind. Das sind beispielsweise:
- Eigenleistungen
- Kostenvorteile infolge persönlicher Beziehungen oder Preisverhandlungen
- Besondere Baumaßnahmen
- Nacht- und Feiertagsarbeiten
Historische Kostenkennwerte der NHK in Baukostentabellen
Um eine Auskunft über die durchschnittlichen Bauaufwendungen des jeweiligen Gebäudes zu erhalten, bietet Anlage 4 der ImmoWertV eine tabellarische Übersicht über die einzelnen Kostenkennwerte für die Kostengruppen 300 und 400 der DIN 276.
Überblick über die verschiedenen Kostengruppen:
- 100 Grundstück
- 200 Herrichten und Erschließen
- 300 Bauwerk – Baukonstruktionen
- 400 Bauwerk – Technische Anlagen
- 500 Außenanlagen
- 600 Ausstattung und Kunstwerke
- 700 Baunebenkosten
Sie suchen eine Regelherstellungskosten-Tabelle? Zur Ermittlung der historisch anfallenden Herstellungskosten gibt es in Anlage 4 der ImmoWertV sogenannte Baukostentabellen. Diese geben die durchschnittlichen Baukosten (NHK) an, die für einen bestimmten Gebäudetyp pro Quadratmeter anzusetzen sind.
Die einzelnen NHKs sind in sogenannten Gebäudetypenblätter aufgeführt – differenziert nach Bauarten, Gebäudejahresklassen und Ausstattungsstandards. Die Kostenkennwerte enthalten bereits die Umsatzsteuer und die üblichen Baunebenkosten.
Stimmt die Immobilie nicht genau mit einer Gebäudeart überein, wird eine Mischkalkulation vorgenommen, bei der das Gebäude gedanklich in mehrere Teile aufgeteilt wird. Sind Gebäude nachhaltig umgenutzt worden, so ist bei der Zuordnung zu einem Kostenkennwert die aktuelle Nutzung zu berücksichtigen.
Nachfolgend finden Sie einen Auszug aus den sogenannten NHK 2010 für freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser gemäß der Anlage 4 der ImmoWertV:
Kostenkennwerte für freistehende Einfamilienhäuser, Doppelhäuser und Reihenhäuser, Quelle: Anlage 4 ImmoWertV.
Mit dem jeweiligen Gebäudetyp und der passenden Standardstufe kann man der obigen Tabelle relativ schnell und einfach einen NHK-Wert entnehmen.
Beispiel:
Für ein freistehendes Einfamilienhaus mit Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss und Flachdach ergeben sich für eine gehobene Ausstattung (Standardstufe 4) Normalherstellungskosten von 1.025 Euro pro Quadratmeter. Diese Kosten nehmen Bezug auf das Basisjahr 2010 und sind auf die Brutto-Grundfläche des Gebäudes hochzurechnen.
NHK 1995 – Normalherstellungskosten 1995
Früher wurde zur Wertermittlung von Immobilien auf die Normalherstellungskosten von 1913 zurückgegriffen. Ab 1995 wurde im Auftrag des Bundesbauministeriums eine neue Ableitung der Normalherstellungskosten durchgeführt – die NHK 1995.
Die Normalherstellungskosten liefern einen Zeitbezug: Bei den NHK 1995 handelt es sich um die Kosten, die anfallen würden, wenn ein Bewertungsobjekt im Jahr 1995 nochmals errichtet werden müsste.
Vorherige NHK bezogen sich allein auf den umbauten Raum (uR). Die NHK 1995 wurden sowohl auf den Brutto-Rauminhalt (BRI) als auch auf die Brutto-Grundfläche (BGF) abgestellt.
NHK 2000 – Normalherstellungskosten 2000
Mit der Einführung des Euro als neue Währung in mehreren europäischen Ländern – und auch in Deutschland ab dem 1. Januar 2002 – wurde eine Umrechnung der Tabellenwerte unumgänglich.
Im Zuge der Aktualisierung der NHK 1995 auf den Preisstand des Jahres 2000 bestand der dringende Wunsch den Bereich der landwirtschaftlichen Betriebsgebäude zu überarbeiten. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat das Anliegen unterstützt, da die bisherigen Tabellenwerte aufgrund der fehlenden Differenzierung für landwirtschaftliche Betriebsgebäude nur auf einzelne Fälle anzuwenden waren.
Gemäß den Wertermittlungsrichtlinien des Bundes und dem Runderlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen wurden seit 2001 die NHK 2000 zur Anwendung gebracht. Bei den ausgewiesenen NHK 2000 handelt es sich um Bundesmittelwerte nach dem Preisstand von 2000, einschließlich der damals gültigen 16 Prozent Mehrwertsteuer.
Baunebenkosten – entsprechend der Kostengruppe 700 – sind in den Tabellenwerten nicht enthalten, jedoch auf den jeweiligen Gebäudetypenblättern angegeben und im Bedarfsfall hinzuzurechnen.
NHK 2010 – Normalherstellungskosten 2010
Die Sachwertrichtlinie vom 05.09.2012 besagt, dass auf die NHK von 2010 Bezug zu nehmen ist, teilweise wird auch noch auf die NHK 2000 zurückgegriffen. Ein vollständig neues Tabellenwerk zu den NHK 2010 wurde innerhalb der ImmoWertV 2021 integriert.
Neue Standardbeschreibungen spiegeln dabei den Stand der Technik und aktuelle Bauweisen wider, mit zusätzlichen Hinweisen zur Einordnung älterer Gebäude. Über die Einstufung der einzelnen Gewerke der fünf Ausstattungsstufen werden die Kostenkennwerte der NHK 2010 ausgewählt und in die Wertermittlung übernommen.
Gewerke:
- Außenwände, Innenwände
- Dach, Fenster, Treppen
- Außentür, Innentüren
- Deckenkonstruktion, Fußböden
- Sanitäreinrichtungen, Heizung
- Sonstige technische Ausstattung
Die NHK 2010 unterscheiden bei den einzelnen Gebäudearten zwischen fünf verschiedenen Standardstufen – abhängig vom Stand der technischen Entwicklung und den bestehenden rechtlichen Anforderungen am Wertermittlungsstichtag. Die Einordnung des Gebäudes erfolgt unter Berücksichtigung der für das jeweilige Wertermittlungsobjekt am Bewertungsstichtag relevanten Marktverhältnisse:
- Stufe: unzeitgemäß
- Stufe: einfach
- Stufe: mittel
- Stufe: gehoben
- Stufe: stark gehoben
In den NHK 2010 sind die Umsatzsteuer und die üblichen Baunebenkosten eingerechnet – ganz der DIN 276 - Kosten im Bauwesen entsprechend.
Eine Überarbeitung der NHK 2010 wäre erforderlich und soll bis spätestens 2024 erfolgen.
Wo stehen historische Normalherstellungskosten?
Historische Regelherstellungskosten können aus folgenden Tabellen entnommen werden:
- Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr)
- Tabellen zur Ermittlung des Bauwertes von Gebäuden von Ross, Brachmann und Holzner
- Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten von Rößler, Langner, Simon und Kleiber
- Vogels Tabellen (Grundstücks- und Gebäudebewertung marktgerecht)
- Tabellen von Thormählen (Baurichtwerte zur Ableitung des Herstellungswertes von Gebäuden)
- BKI - Baukosten 2007 (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern)
Anpassung der Normalherstellungskosten NHK
Um den Sachwert am Bewertungsstichtag richtig zu berechnen, sind diverse weitere Faktoren zu berücksichtigen. So müssen die Kostenkennwerte der Baukostentabellen durch den Baupreisindex auf den Wertermittlungsstichtag hochgerechnet werden, regionale Unterschiede durch Marktanpassungsfaktoren beachtet werden und sonstige objektspezifische Grundstücksmerkmale zur Gesamtsumme hinzuaddiert werden.
Baupreisindex
Über den Baupreisindex des statistischen Bundesamtes DESTATIS werden die Kostenkennwerte auf den Wertermittlungsstichtag hochgerechnet, sodass die Preisentwicklung der Herstellungskosten Berücksichtigung findet.
Der aktuelle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent wird durch den Baupreisindex berücksichtigt.
Beispiel: Am Wertermittlungsstichtag im Jahr 2020 sind die Baukosten laut der Internetseite des statistischen Bundesamtes gegenüber dem Jahr 2010 um rund 29 Prozent gestiegen. Damit müssten die Normalherstellungskosten von 730 EUR/m² um 29 Prozent erhöht werden, womit sich aktuelle Normalherstellungskosten von 941,7 EUR/m² ergeben.
Mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. Februar 2022 wurden neue Baupreisindizes zur Anpassung von Regelherstellungskosten aus der Anlage 24 Bewertungsgesetz (BewG) für Bewertungsstichtage im Kalenderjahr 2022 bekannt gegeben:
- 141,0 für die Gebäudearten Ein- und Mehrfamilienhäuser,
- 142,0 für unter anderem die Gebäudearten Büro-, Betriebs-, Sportgebäude
Der angepasste Kostenkennwert wird anschließend mit der Bruttogrundfläche (BGF) einer Immobilie multipliziert, um die korrekten Baukosten zu erfassen.
Regionalfaktor
Die NHK 2010 sind durchschnittliche, bundesweit geltende Herstellungskosten. Zur Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt einschließlich der regionalen Baupreisverhältnisse ist der vorläufige Sachwert an die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem örtlichen Grundstücksmarkt mithilfe von sogenannten Regionalfaktoren anzupassen.
Die angegebenen Durchschnittswerte für die NHK können durch Multiplikation mit regionalen Faktoren – beispielsweise nach Bundesländern, Größe der Städte beziehungsweise Bauorte sowie Konjunkturschwankungen – an orts- und zeitspezifische Verhältnisse angepasst werden.
Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale
Zu den Herstellungskosten der Immobilie sind die Herstellungskosten für Garagen und andere Sonderbauteile – wie etwa Balkone, Dachgauben, Kelleraußentreppen oder Wintergärten – zu addieren. Eine separate Berücksichtigung der in der Bruttogrundfläche nicht erfassten Bauteile ist jedoch nur dann erforderlich, wenn es sich um werthaltige Anlagen oder besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale handelt.
Geringwertige Bauteile, wie beispielsweise ein Kunststoffvordach über der Haustüre oder ein Plastikgeländer bei der Kelleraußentreppe, finden keine Berücksichtigung. Falls die Bauteile oder Anlagen erheblich vom Üblichen abweichen, sollte der Werteinfluss entsprechend durch Abschläge und Zuschläge gewürdigt werden.
Werden die gewöhnlichen Herstellungskosten herangezogen, ist eine Alterswertminderung anzusetzen, wobei sich die Restnutzungsdauer in der Regel an der für die baulichen Anlagen orientiert.
Fundierte Immobilienbewertung auf Basis der NHK 2010
Mit einem Blick in die Baukostentabellen können Sie den Wert Ihrer Immobilie auf Basis des Preistandes von 2010 einfach berechnen. Hingegen nützt Ihnen eine Regelherstellungskosten-Tabelle relativ wenig. Da neben den Normalstellungskosten noch weitere Faktoren, wie beispielsweise Baumängel, Alterswertminderung und ausgesetzte Instandhaltungsmaßnahmen, zu berücksichtigen sind, sollte die Verkehrswertermittlung ein qualifizierter Spezialist übernehmen. Der Fachmann kann aufgrund seiner gesammelten Erfahrungswerte einschätzen, welche Herstellungskosten für welches Gebäude typisch sind und so den Grundstückswert ermitteln.
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