Wertermittlung von Bahnhöfen
Ein Bahnhof ist mehr als nur das Bahnhofsgebäude. Gleise, Weichen, Bahnsteige, Nebengebäude und technische Infrastruktur (Einfahrsignale etc.) gehören gemäß Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) mit dazu. Wir konzentrieren uns bei der Wertermittlung von Bahnhöfen jedoch auf die Bewertung von Grundstück und Gebäuden.
Dampflok fährt im Bahnhof ein.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bahn verkauft und vermietet Liegenschaften, die sie nicht (mehr) für den Eisenbahnbetrieb vermietet.
- Grundvoraussetzung bei einem Kauf mit Chance auf Bebauung ist die Entwidmung als Bahnfläche.
- Der Wert eines Bahngrundstücks wird per Ertragswertverfahren ermittelt und durch eine Sachwertberechnung plausibilisiert. Bei stillgelegten Bahnhöfen stellt das Sachwertverfahren hingegen die maßgebliche Bewertungsmethode dar.
- Bahnspezifische Grundstücksmerkmale wie lange Mietverträge, im Grundbuch eingetragene Rechte sowie ein erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsstau wirken sich erheblich auf den Grundstückswert aus.
Besonderheiten bei Bahnflächen
Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) ist maßgeblich für den gesetzlichen Rahmen, die Begriffsdefinitionen und damit indirekt auch für die Wertermittlung von Bahngrundstücken.
Das gehört zum Bahnhof
Bahnanlagen sind öffentliche Grundstücke im Anstaltsgebrauch – mit der Zweckbestimmung „Eisenbahn“.
Die Definition von Bahnanlagen und Bahnhöfen steckt in § 4 EBO. Demnach sind Bahnanlagen „[…] alle Grundstücke, Bauwerke und sonstigen Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs auf der Schiene erforderlich sind.“ Per Definition gehören auch sonstige und Nebenbetriebsanlagen einer Eisenbahn dazu, zum Beispiel für Be- und Entladung sowie Ab- und Zugang.
„Bahnhöfe sind Bahnanlagen mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, ausweichen oder wenden dürfen.“ Doch wo endet der Bahnhof und wo beginnt die freie Strecke? Auch diese Definition liefert § 4 EBO Abs. 2: Als Grenze gelten demnach Einfahrsignale oder Trapeztafeln, alternativ Einfahrweichen. Die EBO unterscheidet sogar zwischen einem richtigen Bahnhof und einem Haltepunkt (Abs. 8) sowie einer Haltestelle (Abs. 9). Im Gegensatz zum Bahnhof fehlt dem Haltepunkt die Weiche. Eine Haltestelle wiederum ist lediglich eine Abzweig- oder Anschlussstelle, die mit einem Haltepunkt verbunden ist.
Bahnhaltepunkt auf Rügen.
Entwidmung für Verkehrswertbestimmung nötig
Wird ein Bahngelände, wie ein Bahnhof, zwangsversteigert, kann das Grundstück nicht einfach neu bebaut werden. Die Gemeinde, auf der der (ehemalige) Bahnhof liegt, hat zunächst keine Planungshoheit über das Bahngelände. Sie kann das Grundstück im Bebauungsplan erst einer neuen Bestimmung zuführen, wenn es entwidmet wurde. Wie die Entwidmung von Bahngrundstücken erfolgt, geht aus dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (§ 23 AEG) hervor. Die Freistellung von Bahnbetriebszwecken ist erst nach einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung und Machbarkeitsprüfung möglich. Dazu geben alle in Frage kommenden Bahngesellschaften eine Stellungnahme ab.
Bestandsschutz besteht nach der Entwidmung nicht. Das heißt: Nur, weil das Grundstück bebaut ist, muss noch lange keine Baugenehmigung erfolgen. Im Prinzip werden bebaute Bahnbrachen zum Bauerwartungsland zurückgestuft.
So wird der Verkehrswert von Bahnhöfen bestimmt
Bei Fortführung des Mietvertrags oder einer weiterhin renditeorientierten Nutzung erfolgt die Wertermittlung von Bahnhöfen primär mit dem Ertragswertverfahren.
Im ersten Schritt der Rechnung wird der Rohertrag ermittelt. Dabei handelt es sich um die marktübliche jährlich erzielbare Nettokaltmiete. Von dieser werden die Bewirtschaftungskosten abgezogen. Die Bewirtschaftungskosten umfassen Instandhaltungsrücklagenbildung, Mietausfallwagnis, Modernisierungsrisiko und Verwaltungskosten. Dadurch ergibt sich der jährliche Reinertrag.
Der Reinertragsanteil des Bodenwertes (Liegenschaftszins x Bodenwert) wird vom Reinertrag abgezogen. Das Ergebnis ist der Ertrag der baulichen und sonstigen Anlagen des Bahnhofs oder Bahngrundstücks. Dieser wird mit dem auf der Restnutzungsdauer basierenden Barwertfaktor gemäß Immobilienwertermittlungsverordnung (§ 34 ImmoWertV) multipliziert. Nun kennt der Sachverständige den Ertragswert der baulichen und sonstigen Anlagen. Diesem wird der Bodenwert hinzugefügt. Zum Abschluss werden objektspezifische Grundstücksmerkmale wie erheblicher Modernisierungsbedarf oder Denkmalschutz berücksichtigt. Diese können sich bisweilen stark wertsteigernd oder -senkend auswirken.
Der Rechenweg für die Wertermittlung von Bahnhöfen als Formel:
Rohertrag – Bewirtschaftungskosten = Reinertrag
[Reinertrag – (Liegenschaftszinssatz x Bodenwert)] x Barwertfaktor = Ertragswert der Anlagen
Ertragswert der Anlagen + Bodenwert +/- objektspezifische Grundstücksmerkmale = Ertragswert
Sachwertverfahren zur Absicherung
Zur Absicherung des Verkehrswertgutachtens dient das Sachwertverfahren – welches bei stillgelegten Bahnhöfen ohne Nutzungskonzept primär angewandt wird.
Hierfür sieht die Berechnung folgendermaßen aus:
Sachwert aller Gebäude & Außenanlagen + Bodenwert = vorläufiger Sachwert
Vorläufiger Sachwert x Marktanpassungsfaktor +/- objektspezifische Grundstücksmerkmale = Sachwert
Häufige Bewertungsfaktoren bei Bahnhöfen
Für Bahngrundstücke kann es durchaus passieren, dass bei der Wertermittlung negative Ertrags- und Sachwerte zutage treten. Diese Zu- und Abschläge wirken sich bei Bahnflächen überdurchschnittlich hoch auf den Sach- beziehungsweise Ertragswert aus. Insbesondere lange Mietverträge – oft über zehn Jahre – auf niedrigem Mietzinsniveau sowie ein erheblicher Modernisierungsrückstand mit Zwang zur energetischen Sanierung oder eine mangelhafte Erschließung können den Grundstückswert in den Minus-Bereich drücken. Hinzu kommen als stark wertbeeinflussende Faktoren:
- Altlasten
- Denkmal- und Bestandsschutz
- Planungsrecht/Bauleitplanung (Flächennutzungsplan)
- Nutzungskonzepte und Revitalisierung
In der Regel besteht bei Bahnbrachen, die von der Bahn abgestoßen werden, ein sehr hoher und kostspieliger Sanierungs- und Modernisierungsbedarf.
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Grundstücke von der Bahn kaufen oder mieten
Sie interessieren sich trotzdem für Bahngrundstücke? Die Deutsche Bahn AG verkauft und vermietet Liegenschaften, die für den Bahnbetrieb nicht mehr benötigt werden. Sie
- gibt stillgelegte Güterbahnhöfe als Gewerbeflächen frei,
- vermietet Parzellen an Kleingartenkolonien,
- verkauft Grundstücke einzeln oder im Portfolio.
Hinweis: Kaufen Sie nicht die Katze im Sack, wenn Sie die Verpflichtungen hinter einem vermeintlichen Bahnimmobilien-Schnäppchen nicht genau kennen. Die Sachverständigen der Heid Immobilien GmbH nehmen Portfoliobewertungen vor – auch für Grundstückspakete der Bahn.
Kleingartenkolonien liegen häufig entlang einer Bahnstrecke, allerdings selten direkt am Bahnhof.
Im November 2022 standen unter anderem folgende Bahnliegenschaften zum Verkauf (teils per Auktion):
- Unbebaute Grundstücke mit Rheinblick in Bacharach,
- leerstehendes, denkmalgeschütztes Stellwerk in Gladbeck,
- verpachtete Kleingartenanlage in Würzburg,
- Bahnhofsplatz in Rötha (bei Leipzig, dort hält kein Zug mehr),
- gewerbliches Baugrundstück in Sonneberg,
- ehemaliges Bahngebäude mit Anbauten in ländlicher Lage (Sonnewald / Brenitz) – mit Dachschaden und veralteten Elektro- und Sanitäreinrichtungen.
Für einige solcher Bahngrundstücke beziehungsweise alte Häuser (wie Bahnhofsgebäude) in Bahneigentum ist kein Energieausweis notwendig. Was der Käufer mit dem Grundstück machen kann, der Erschließungszustand und welche Auflagen oder Einschränkungen es gibt, geht meist aus der Objektbeschreibung hervor. Dennoch ist es unabdinglich, den Flächennutzungsplan der Gemeinde einzusehen.
Lesetipp: Erfahren Sie in unserem Ratgeber, was Sie beachten sollten, bevor Sie ein altes Haus kaufen.
Hinweis: An Bahnstrecken oder in Bahnhofsnähe sind Geh-und Fahrtrechte sowie Leitungsrechte für die Deutsche Bahn AG üblich. Diese und andere Grunddienstbarkeiten wirken sich wertmindernd aus.
Bewertung von Bahnhöfen & Bahnbrachen
Sie haben noch eine Frage oder benötigen ein Verkehrswertgutachten für ein Bahngrundstück? Unsere sachkundigen, zertifizierten Sachverständigen erstellen gerne ein gesetzeskonformes Wertgutachten für Bahnhöfe und Bahnbrachen für Sie. Kontaktieren Sie uns für weitere Fragen unter 0800 - 90 90 282 oder senden Sie das ausgefüllte Kontaktformular ab. Wir sind gespannt auf Ihre Anfrage!